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Der große CO-2 Schwindel

Viele Autofahrer denken darüber nach, ein sparsameres Auto zu kaufen. Das hängt mit den steigenden Spritkosten zusammen, aber auch mit dem wachsenden Umweltbewusstsein. Immerhin erzeugen wir mit jedem Liter Sprit den wir verfahren gut zwei Kilogramm von dem Klimakiller CO2. Aber tun wir der Umwelt und unserem Geldbeutel wirklich etwas Gutes, wenn wir einen Neuwagen kaufen?

Die Botschaft des Werbespots ist eindeutig: Tu der Umwelt etwas Gutes und kaufe ein neues Auto, denn das Alte ist eine "Umweltsau“ und hat auf unseren Strassen nichts mehr zu suchen. Auch welches Auto man kaufen soll sagt diese Werbung: „Der Citroen C-3, mit sauberster Diesel-Technologie. Weniger Verbrauch, weniger CO2.“

Herstellungsfaktoren außer acht gelassen

Was jedoch von der Autoindustrie gerne verschwiegen, und in der öffentlichen Diskussion meist übersehen wird, ist der Herstellungsfaktor. Der Heidelberger Umweltforscher Dieter Teufel hat seine Zweifel, dass neue Autos prinzipiell gut fürs Klima sind: „Früher, als es noch keine Katalysatoren gab, als die Autos sehr schmutzig waren, da war es durchaus sinnvoll, einen neuen Wagen zu kaufen der einen geregelten Katalysator hatte. Da hat man was für die Umwelt getan. Inzwischen ist der Unterschied zwischen den Neuwagen und den bestehenden Wagen so gering, dass es sich von den Abgasen her nicht mehr lohnt. Bis ein Auto beim Autohändler steht, dass man es kaufen kann, hat es bei seiner Herstellung 20 bis 30 Tonnen CO2 freigesetzt. Das sind etwa 20, 25 Prozent der gesamten CO2-Emission während seines gesamten Autolebens.“

Wer verbraucht mehr: Golf I gegen Golf V

Wenn aber das Autoleben mit einem so großen Umweltmanko beginnt, wäre es dann nicht am schlausten, es so lange wie nur irgend möglich zu fahren? Hermann Walter aus Verl hat eine Sammlung von Autos, die schon längst aus dem Straßenbild verschwunden sind. Für uns holt er einen Golf Diesel der ersten Baureihe zurück - vom Museum auf die Strasse. Zum Duell gegen seinen Nachfolger, den Golf 5 TDI. Ist das neue Auto denn wenigstens signifikant sparsamer als das alte?

Um das herauszufinden, werden die ungleichen Golf-Generationen erst einmal randvoll getankt. Umweltforscher Dieter Teufel: „Selbst wenn man einen Wagen kaufen würde, der, sagen wir mal, ein Liter weniger verbraucht, braucht man ungefähr 20 Jahre, bis die CO-2 Menge wieder eingeholt ist, die bei der Herstellung freigesetzt wurde.“

Mit anderen Worten: Um seine Umweltbilanz aus dem roten Bereich herauszufahren, um seine Existenz zu rechtfertigen, müsste der neue Golf ein Viertel weniger verbrauchen als sein Vorfahre. Und würde selbst dann erst nach cirka 140 Tausend Kilometern gleichziehen. Ob das machbar ist?

Weil die Herstellerangaben mit der Praxis nicht viel zu tun haben, testen wir den Verbrauch lieber selbst, und zwar im sogenannten Drittelmix. Dazu fahren wir insgesamt 100 Kilometer zu gleichen Teilen auf der Landstrasse, auf der Autobahn und schließlich im Stadtverkehr.

Das ernüchternde Vergleichsergebnis

Nach exakt 100 Kilometern ist der Moment der Entscheidung gekommen. Wieder geht es an die Zapfsäule, und wieder wird vollgetankt. Das Ergebnis fällt für den Ur-Golf von 1983 recht erfreulich aus: Bescheidene 4,41 Liter Diesel hat sich der betagte Selbstzünder unterwegs genehmigt. Jetzt ist sein Enkel an der Reihe. Zu unserer Überraschung zeigt sich der Golf von heute nicht ganz so bescheiden. Gemessener Verbrauch: 6,33 Liter.

Dieter Teufel vom Umwelt- und Prognoseinstitut überrascht dieses Ergebnis nicht: „Der Fortschritt in den Werbeprospekten der Automobilindustrie stellt sich schön dar. Aber wenn man die Fahrzeuge tatsächlich testet und den Betrieb anschaut, sind die Fortschritte entweder sehr klein oder verkehren sich sogar ins Gegenteil.“

Diagnose: Auto mit Übergewicht

Zur Ursachenforschung gehen wir dem Verdacht nach, dass der neue Golf möglicherweise übergewichtig sein könnte. Und tatsächlich: Während der alte schmale Golf 910 Kilogramm auf die Waage bringt, sind es beim Neuen 1.350 Kilogramm. Und das ist kein Einzelfall, sondern eher ein Branchentrend.

Zugegeben: ein moderner VW Golf bietet weit mehr Komfort und Sicherheit. Wo früher noch von Hand gekurbelt werden musste, gibt es heute für alles Mögliche ein Motörchen. Und auch die Motorleistung hat sich beinahe verdoppelt: von 54 auf 105 PS. Aus Sicht des Fahrers wünschenswert - das Klima betreffend steht der Alte jedoch nicht unbedingt schlechter da. Dennoch werden inzwischen sogar viele umweltfreundliche Autos mit geregeltem Kat verschrottet. Auch dank Steuerstrafen, die seit 1997 für Altfahrzeuge fällig werden.

Neue, aufwändig hergestellte Autos bringen nur etwas fürs Klima, wenn sie kleiner und leichter sind. Nur so wird bei Herstellung und im Betrieb wirklich CO2 eingespart. Solange sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt hat, muss sich der alte Golf aus dem Museum also nicht als Umweltsau beschimpfen lassen.

Carsten Walter

Alle Sendetermine:
18.09.2008, 22.00 Uhr, Odysso - Wissen entdecken, SWR Fernsehen

Letzte Änderung am: 18.09.2008, 00.37 Uhr



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